Der Bodensee, sagte die Frau, gibt seine Toten nicht mehr frei.

Der Bodensee, ganz nah der Heimat, dem Oberland, dem Land der satten Wiesen und der reichen Bauern. Den Nachbarn hat es getroffen. Er war reich, viel reicher als ihr Vater. Aber es nützte ihm nichts, sagte sie.

Bei der Geburtstagsfeier des einzigen Kindes der Nachbarn geschah das Unglück, das das Glück, nach vielen Jahren des gemeinsamen Wartens einen Sohn bekommen zu haben, zum zwölften Mal feierte. Zwei Freunde, der eine dick, der andere dünn, waren vom Sohn eingeladen worden. Segelst du mit mir und meinen Freunden über den See? Das Segelboot war der Stolz des Vaters, eines Tages würde er das Steuer seinem Sohn übergeben.

Die Sonne stand am Himmel, ein goldener Oktobertag. Passt auf, der Steg ist schmal und das Wasser schon kalt, sagte er zu den dreien. Der Dünne zitterte. Komm, streif dir den Rettungsring über, damit der Wind deine Jacke festhält. Wie schön es war, über den See zu segeln. Wie schnell das Boot kenterte. Der Vater tauchte auf, griff nach seinem Sohn, der dicke Freund ruderte mit den Armen, der dünne Freund hing leblos im Rettungsring. Der Vater spürte, sah, erschrak. Sein Sohn hing tot in seinen Armen. Die Schläge des dickeren Freundes wurden schwächer. Noch ein letzter Blick. Dann löste der Vater seine Arme und reichte dem anderen Kind seine Hand. Gemeinsam schafften sie es mit letzter Kraft ans Ufer.

Nach der Beerdigung des dünnen Freundes verließ die Mutter des Sohnes den Nachbarn. „Nicht einmal beerdigen kann ich ihn, du hast ihn nicht gehalten.“ „Du weißt doch, der See behält seine Toten“, antworte er. Lange nachdem sie vom Hof gegangen war.